Montag, 21. Juli 2025
In der Nacht regnet es und plötzlich hat es tagsüber unter 20 Grad. Heute wollen wir weniger fahren und zuckeln gemütlich auf einer Landstraße nach Annapolis Royal. Der Ort war 100 Jahre lang als Port Royal eine französische Siedlung, die erste europäische auf dem nordamerikanischen Kontinent, zumindest nördlich von Florida. Dann kamen die Briten und seit 1710 weht über dem Städtchen die britische Fahne. Auf dem Weg dorthin gibt es Gebäude mit sehr vielen Schrottkarren drumrum, schmucke Häuschen, Picknickplätze und verlassene Kasernen.
Annapolis Royal selbst lädt zum Bummeln ein. Gut erhaltene historische Bauten, Rathaus, Polizeistation und natürlich Cafés. Wir kehren im Lazy Daisy Café ein, es ist mal wieder gut, dass wir Zeit mitgebracht haben. Lauschig dort, neben Touristen offensichtlich viele Stammgäste, die sich nach dem Tagesangebot erkundigen. Die beiden Mädels im Service sind, wie immer, blutjung. In der Küche steht, wie öfters, ein älterer Herr. Es gibt Bilderbücher zum Blättern und der kühle Wind weht ja draußen, wir halten es gut aus. Gerald und Nicole teilen sich Turkey Sandwich und ein Pekannuss-Teilchen, Kilian hält sich an Brownies und Louisa verputzt ein dickes Veggie-Sandwich. Es gibt den ersten richtig leckeren Kaffee seit langem, was wir sehr genießen.








Auf dem Rückweg stellt Nicole fest, dass die Lukas-Kirche geöffnet ist und saust schnell hinein. Dort wird sie direkt von einer reizenden älteren Dame abgefangen, die gerade einem Ehepaar eine kleine Führung durch die Kirche gibt. Nicole hört natürlich geduldig zu und hat Fragen, das Ehepaar schleicht sich irgendwann davon. Die Kirche wurde von den Briten gebaut, es gibt sogar eine Bibel mit einer Signatur von George V. Eines der Kirchenfenster stammt aus München, eine alte Bibel von 1790. Usw usw. Die ältere Dame war auch schon auf Flusskreuzfahrt in Europa und hatte damals in Würzburg Station gemacht. Eine sehr nette Begegnung. Dass der kanadische Vibe anders ist, merkt man übrigens im Gespräch mit der echt-sächischen Verkäuferin in der sächsischen Bäckerei, bei der eher so eine grundgenervte deutsche Haltung durchschimmert…







Danach geht es am Meer entlang mit einem Schlenker über das Fort Anne (erbaut von einem Schüler Vaubans, der wiederum die Festung in Landau gebaut hat) zurück zu den Historic Gardens, die wirklich noch einmal eine kleine Oase innerhalb des sowieso schon idyllischen Orts sind. Geöffnet bis 18 Uhr, danach dürfen man aber noch drin bleiben. Sehr entspannt hier. Wir beobachten eifrigen Bienchen mit prall gefüllten Pollenhöschen, schnuppern an Rosen, überdenken die Pflanzenauswahl im heimischen Garten. Kilian hat offensichtlich über die Jahre auf den Reisen viel gelernt und navigiert die Familie zum Gartencafé, kurz bevor dieses schließt. Die selbstgebackenen Kuchen (Blaubeere und Pekannuss) sind lecker und wir können sogar beobachten, wie die nächsten schon vom Inhaber gebacken werden.












Noch immer befinden wir uns an der Fundy Bay mit ihrem hohen Tidenhub, nur inzwischen am anderen Ufer. Ein paar Kilometer von Annapolis entfernt steht das einzige Gezeitenkraftwerk Nordamerikas, das allerdings hochgradig unspektakulär ist. Nebenan steht ein Foodtruck, der Scallops anbieten würde – aber nur Bargeld nimmt (wie übrigens auch die sächsische Bäckerei, die ansonsten Gebühren für Kartenzahlung verlangt). Da wir aber schon knapp 20 Dollar (12 Euro) in zwei Brezeln und ein Schweineohr investiert hatten, haben wir nur noch sieben Dollar Bargeld übrig und müssen passen. Ansonsten zahlen wir fast immer mit Karte und hatten tatsächlich bisher nur einmal in Montreal Geld abgehoben, um für den Zimmerservice Trinkgeld hinterlassen zu können.



Der letzte Stopp des Tages ist um kurz nach 17 Uhr das kleine Weingut nahe Bear River, das um 18 Uhr schließen würde. Die Eltern verkosten vier Weine (kleinen Schlückchen zum günstigen Preis), befinden drei davon als sehr gut und nehmen zwei Flaschen mit. Das Weingut besteht seit 20 Jahren und ist wirklich sehr klein, vom Sitzplatz auf kanadischen Stühlen aus überblicken wir sämtliche Reben. Die Winzerin war ausgebildete landwirtschaftliche Fachkraft und hat ihre Winzerinnenausbildung tatsächlich online bei der Universität von Kalifornien absolviert, danach aber noch die Besonderheiten des Weinbaus in Nova Scotia gelernt.








Den Abend verbringen wir gemütlich Zuhause. Leider wollen sich die weißen Hirsche, die angeblich Nähe dem Airbnb leben, noch immer nicht blicken lassen.