Mitten im Berg

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Die Wolken sind dick, der blaue Himmel gerade anderswo. Aber wir wollen nicht klagen: Über Norditalien liegt ein dickes Regenband, in Ligurien ist sogar die Autobahn gesperrt und die Schule fällt aus. Dagegen ist das Wetter bei uns noch richtig gut.

Louisa ist in Sorge: Warum steht Kälbchen Susi plötzlich alleine und die anderen drei (Lotte, Elli, Altantis) kuscheln sich einem Stallteil? Ist Susi krank oder kommt etwas der Schlachter? Aber nein, der Jungbauer kann beruhigen: Ein temperamentvolles Kälbchen ist einfach zu den anderen beiden gehüpft…. Gut, dass wir das geklärt haben. Und abends sind die vier auch wieder sortiert.

Gegen 11.30 Uhr starten wir nach Klausen. Glücklichweise haben wir vorgestern eher zufällig mitbekommen, dass eine der beiden Straßen, die in den Ort führen, gesperrt ist. Wir parken am Ortsrand, witzigerweise vor einem Café, in dem Gerald und Nicole – damals hochschwanger mit Kilian – Ende 2007 auf dem Weg zum Gardasee eine Rast eingelegt hatten. Mittagessen ist im Gasslbräu im Ortskern. Wir sind positiv überrascht: Die große Brauereiwirtschaft und die dreisprachige Speisekarte verheißen viel Tourismus. Tatsächlich ist der Wirt superfreundlich, das Essen lecker und mit gutem Preis-Leistungsverhältnis. Bruschetta mit Steinpilzen und Schupfnudeln mit Kastanien, was will man um diese Jahreszeit auch mehr (okay, einen Burger, aber das ist auch der immerhungrige Teenager)?

Klausen hat einen mittelalterlichen Ortskern, wunderschön. Aber wir müssen weiter: Wir wollen zum Bergwerk Villanders, dessen Eingang wir auf dem gegenüberliegenden Berg sehen, wenn nicht gerade eine Wolke die Sicht versperrt. Es geht sehr kurvig wieder Richtung Villanderer Alm, dann halten wir an einem kleinen Parkplatz. 300 Meter zu Fuß, dann stehen wir am Eingang. Es gibt zwar ein großes, neues, hölzernes Museumsgebäude (EU-Gelder, informiert das Schild), das angeblich im April eröffnet wurde – aber tatsächlich offen ist nur der Eingang zum Kassenbereich mit Mänteln und Helmen.

Skurriler Moment, als Führer Hans, nicht mehr ganz jung, mit der Technik kämpft und das Scannen der Gästekarten so gar nicht funktionieren will. Und ein breiter Sachse daneben jeden vergeblichen Versuch mit einem lauten „hahahaha“ quittiert. Aber irgendwann klappts, wir holen uns Helme und Mäntel und sind fast zwei Stunden unterwegs. Wir steuern den Elisabethstollen an. Die verschiedenen Stollen sind nacheinander entstanden und jeweils nach dem Heiligen benannt, der am Tag der Entdeckung Namenstag hatte. Es gab mehrere Phasen, die erste so ab dem 13. Jahrhundert, dann wieder ab dem 15. Jahrhundert. Seit 1912 war der Stollen geschlossen, seit zirka 30 Jahren gibt es Führungen. Dazwischen wurden die Gänge aber von der Bevölkerung der umliegen Orte kräftig erkundet.

Abgebaut wurde in einer Linie Silber, das es im Stollen in einem Silber-Blei-Gemisch gab. Die Arbeitsbedingungen der Knappen waren herb, Mit ihrem Hämmerchen kamen sie pro Jahr 8 Meter weiter, Licht bot ihnen nur ein brennender Holzspan, den sie während der Arbeit im Mund hielten. Sehr beeindruckend. Die Belüftung hat wohl immer Recht gut funktioniert, es sind keine größeren Unfälle bekannt, sagt Hans, der sehr sympathisch, wenn auch manchmal etwas zerfleddert ist. Auf Toilette gingen die Bergleute übrigens in einer Art Plumpsklo, das jeden Abend von zwei Knappen geleert wurde. Wurde in eine andere Ecke gepieselt, gab es harte Strafen – man durfte zwei Wochen nicht arbeiten etc. Dabei waren die Knappen ziemlich gut bezahlt, für die Familien gab es eine Krankenversicherung, wer mehr als 10 Kinder hatte bekam das doppelte Geld. Ab 1530 galt auch die Regel, dass jeder Gang aus Sicherheitsgründen mindestens 1,80 Meter hoch sein musste. Der weiße Flaum an den Holzbalken sind Pilze, die in der Kombi aus Holz, Licht, Feuchtigkeit wachsen. Eigentlich wäre alles damit überwuchert. Aber zum Schutz von möglichen Allergikern und zum Schutz des Holzes werden sie regelmäßig entfernt. Im Stollen selbst ist es durchgehend 8 Grad warm und wir gelangen an das Ende, das 900 Meter im Berg liegt.

Danach zuckeln wir in den tief hängenden Wolken zur Ferienwohnung und lassen den Abend gemütlich ausklingen.