Montag, 20. Mai 2024
An diesem lauen Maimorgen sind wir ausgesprochen froh, in England und nicht in Deutschland zu sein. Denn am Nachbarhaus stehen Baggerarbeiten an, hat der Vermieter angekündigt. Wir hatten uns schon gefragt, ob wir um 7 Uhr von Arbeitsgeräuschen geweckt werden … Aber nein. Um kurz vor 9 Uhr parkt ein kleiner blauer Bus neben der Terrasse, auf der wir gerade den Frühstückstisch decken. Ein schuldbewusster Nachbar und zwei sehr zurückhaltende Arbeiter stehen vor uns und erklären, dass sie selbstverständlich warten werden, bis wir gefrühstückt haben und unterwegs sind. Später stehen die beiden Männer entspannt mit einer Tasse Tee in der Hand da, die Reiseleitung kommt (natürlich) ins Gespräch. Beim Nachbarn ist der Kanal in die Brüche gegangen, nun muss ein neues Rohr verlegt werden – anders als das Rohr bisher, das quer über die Grundstücke lief, soll das neue aber sehr pragmatisch einfach nur zum nächsten Gully führen. Diesmal machen sie es auf die deutsche Art, sagen sie. Und der Pfusch vorher, das muss ein Handwerker aus Devon gewesen sein – merke: Die Liebe zwischen Cornwall und Devon ist genauso groß, wie zwischen Bayern und Österreich.
Wir fahren zügig los, die Lost Gardens of Heligan sind das Ziel. Gar nicht so viele Meilen, aber wir sind wieder auf kleinsten Sträßchen in grünen Tunneln unterwegs. Ein alter Landsitz, der nach dem Ersten Weltkrieg brachlag und im Zuge des Eden Projects (in der Nähe, Riesengewächshäuser mit Klimazonen, steht bei uns aber nur im Notfall auf der Liste, davon war zu viel im Englischbuch der sechsten Klasse) in eine grüne Oase verwandelt wurde. Die Ausmaße des Parkplatzes verraten schon, dass es hier manchmal ganz schön trubelig ist. Bei unserem Besuch verteilen sich die Besucher aber noch ganz gut.
Das Gelände ist riesig. An Riesenrhododendrons vorbei geht es in die alten Küchengärten, verschiedene Kartoffelsorten, Erdbeeren und Salatsorten werden liebevoll beschriftet nebeneinander gezogen. Spalierobst und historische Gewächshäuser, ein Plumpsklo, an dessen Wänden man die Namen der Gärtner gefunden hat, die später im Krieg gefallen sind. Es gibt italienische Gärten mit Sonnenuhr oder kleinem Teich. Im Bauernhofbereich die wohl glücklichsten Schweine, Truthähne, Hühner und Ziegen Englands. Zeit für ein Päuschen.
Die Speisen aus dem Stewart House sind jedoch leider – alle kalt. Selbst die sehr feine Quiche, aber auch die Wraps, dazu gibt es jeweils Erbsensalat. Dieses kulinarische Konzept geht für den Nachwuchs gar nicht auf… Eine Meuterei steht kurz bevor. Schließlich gab es am Abend zuvor ja erst die laut Louisa schlechtesten Spaghetti der Welt. Also schnell zurück zu glücklichen Eseln und Ziegen, bevor es zum – für uns – wunderschönsten Teil geht: „Der Dschungel“, durch den eine burmesische Seilbrücke führt und der uns mit den Farnwäldern direkt nach Australien entführt. So sattes Grün, dazwischen ein plätschernder Bach, dazu Riesenblattgewächse, die uns schon in Irland fasziniert hatten. Wir lassen uns Zeit. Danach geht es noch an etwas Kunst im Grünen vorbei und knapp vier Stunden taumeln wir zurück zum Auto. Das zweite Cafe vor Ort haben wir ausgelassen, da tatsächlich per Schild darauf verwiesen wurde, dass auch die Pies nur kalt serviert werden.
Quer über die Roseland Halbinsel tuckern wir nach St Mawes, in dem Hafenstädtchen sollte doch ein Fish’n’chips zu finden sein. Wobei man sagen muss, dass man auf der Fahrt von der bestimmt reizvollen Halbinsel nichts zu sehen bekommt – dafür fährt man zu oft durch grüne Tunnel. In St Mawes parken wir und stellen beim Bummel fest: Fast alles hat zu, der Bäcker um diese Zeit sowieso, der Fish’n’chips-Verkauf auch. Die Stimmung ist am kippen. Letzte Zuflucht: Der sonnigen Biergarten des edlen Pubs Rising Star der schon ziemlich gut besucht ist. Nicole steuert um 16.20 die Bar an und wird informiert: Warmes Essen erst ab 17 Uhr. Puh … Zwei kleine Bier für die Eltern, zuckerhaltige Getränke für den Nachwuchs und zwei kleine Tüten Chips retten die Lage. Im Hintergrund baut ein Sänger sein Equipment auf und wir bestellen Punkt 17 Uhr. Es gibt zweimal Fish and chips, einen sagenhaften Burger, einmal Kokosreis mit geschmorter Aubergine, dazu im Hintergrund kornischen (so heißt das, wenn es aus Cornwall ist) Folk – und der Abend ist dann doch noch gerettet.
Ein Abstecher geht noch, beschließt die Reiseleitung. Angeblich liegt die schönste Kirche Cornwalls auf dem Weg zur Fähre. Bei solchen Superlativen ist ja immer Skepsis angebracht. Aber was sollen wir sagen – Lage, Lage, Lage. St -Just-in-Roseland wartet mit einem zauberhaften palmenbesetzten Friedhof mit alten, verwitterten Grabsteinen auf und liegt am Meer. Ein wunderbarer Ort. Im Inneren der Kirche wartet die Pastorin gerade auf ein Gespräch mit einem der vielen Brautpaare, die angeblich die Kirche in Scharen nutzen. In der Zwischenzeit informiert sie uns über die vielen kreativen Sitzkissen, die vor Jahrzehnten einmal in Handarbeit gegen Geld angefertigt wurden, und die auch Motive wie Traktoren oder Schiffe zieren.
Als Abkürzung nehmen wir die King Harry Fähre über den Fluss Fal, an dessen Nebenarm wir wohnen. Eine alte Kettenfähre, auf der man bequem mit Karte zahlen kann. Gegen 19 Uhr sind wir zurück, die Arbeiter sind weg. Aber morgen soll es richtig laut werden.