Montag, 27. Mai 2024
Es ist 7 Uhr, die Sonne strahlt ins Wohnzimmer. Die Reiseleitung fühlt sich nach der ersten Nacht auf der erstaunlich bequemen Matratze auf dem Boden erfrischt und will schon in den Weck-Modus gehen, als Louisa sie ermahnt: Leg dich doch nochmal hin… Und so ist es tatsächlich 9 Uhr, bis die gesamte Reisegruppe aufwacht und um 11.11 Uhr sind wir am Bahnhof von Richmond. Wir laden unsere Oystercards wieder auf und wollen schon in die U-Bahn steigen, als ein Schild mitten im Weg auftaucht: Die District Line fällt gerade leider aus. Also fahren wir – deutlich schneller – mit dem Zug nach London und kommen am Bahnhof Waterloo an. Was alle Pläne der Reiseleitung auf den Kopf stellt, denn eigentlich sollte der Tag ganz woanders starten.
Nun geht es zuerst in den Graffiti Tunnel. Was einmal illegal war, ist inzwischen eine knallbunte Touristenattraktion. Im Tunnel sind die Wände knallbunt und es der Duft in der Luft verrät, dass gerade wieder neue Kunst dazukommt. An einer Ecke drehen junge Inderinnen ein Tiktok-Video, an anderer Stelle ist ein Fotoshooting im Gange. Dazwischen eine Kneipe und ein Buchladen – die Eltern könnten Stunden verweilen. Aber vor allem Louisa kann den Geruch, der von den Spraydosen ausgeht, kaum ertragen. Also wird es ein kürzeres Vergnügen.
Weiter geht es am Themse-Ufer entlang Richtung Tate Modern. Viele Fotostopps, es gibt ja auch so viel zu sehen. Kilian, der inzwischen mit der Navigation beauftragt ist, zeigt Nerven. Ein klares Indiz dafür, dass es etwas Einkehr braucht. Also eine Runde Getränke und kleine Happen im Kaffee Nero. Was könnte man hier einfach stundenlang sitzen und Menschen bestaunen!
Die Tate Modern ist in einem ehemaligen Kraftwerk untergebracht, die Architektur beeindruckt. Der Eintritt ist grundsätzlich frei, die Sonderausstellungen (gerade: Yoko Ono und die deutschen Expressionisten) würden extra kosten. Aber es gibt auch so genug zu sehen. Der Nachwuchs schlägt sich tapfer: Schwarz-Weiß-Fotos von extrovertierten, stets nackten asiatischen Künstlern. Eine Videoinstallation über die Nähe von Mensch und Natur, in der eine nackte, menstruierende Frau im Meer schwimmt. Eine Künstlerin, die den Verlust von einer Hand und beiden Beinen mit Kunst bewältigt …. Kilian googelt sehr ernsthaft die genau Bezeichnung der Erkrankung. Louisa liest demonstrativ auf dem E-Reader die Soko Ponyhof (echter Name!). Zwischendurch gibt es bekannte Namen, wie Roy Liechtenstein. Eine Dame leitet eine Führung und sieht exakt aus, wie das Gemälde, vor dem sie steht. Etc. Die Sinne werden geflutet. Zeit für einen Kaffee mit zehnten Stock, auch wenn der Weg nur mit Aufzug möglich ist und dieser sehr überfüllt. Die Aussichtsplattform ist nach mehreren Vorfällen leider geschlossen, die Sicht dennoch grandios.
Doch das geplante Mittagessen auf dem Borough Market muss leider ausfallen, wie auch der kostenlose Dachgarten Roof 120: An diesem Montag ist tatsächlich in England der Feiertag Spring Break, was natürlich sämtliche Öffnungszeiten betrifft… Also ziehen wir mit den Massen über die Millenium Bridge, vorbei an der St.Pauls Kathedrale. Es gibt schnelle Wraps aus dem Supermarkt, einen Abstecher zu H&M, der zwar geöffnet ist (man muss diese Logik hier nicht verstehen), aber zu Louisas Entsetzen keine Jugendabteilung hat. Der noble Royal Exchange, eine schicke Mall, hat dafür zu. Der Leadenhall Market, Inspiration für die Winkelgasse bei Harry Potter, ist glücklicherweise immer zugänglich. Fotostopp. Inzwischen zieht und nieselt es. Die Ruine von St. Dustan in The East entpuppt sich als lauschiger Ort, der sich als Geheimtipp offensichtlich sehr herumgesprochen hat … Viel los. Aber dann retten ausgesprochen niedliche Hörnchen den Moment: Überall tummeln sich die kleinen flauschigen Gesellen und das Wetter stört überhaupt nicht mehr.
Der Nachwuchs wünscht sich: Mehr Innenstadt. Mit der U-Bahn geht es Richtung Piccadilly Circus. Danach bummeln wir durch Chinatown. Die Straßen sind knallvoll, die Restaurants ebenso. Wir können uns nicht ganz entscheiden und gehen dann doch zu dem kleinen Laden, in dem wir 2022 und 2023 schon waren. Geschlossen, aber im Fenster wird auf das „Schwesterunternehmen“ zwei Häuser weiter verwiesen. Dort sitzt man deutlich nobler, entsprechend sind die Preise etwas höher. (Aber noch lange nicht so hoch, wie Tapas in Richmond). Danach sind alle satt und zufrieden, wenn auch nicht aufgewärmt, dazu war die Klimaanlage zu eisig gestellt. Wir spazieren über den Leicester Square und Trafalgar Square zum Riesenrad London Eye. Dann geht wieder unser Zug nach Richmond und gegen 21 Uhr sind wir zurück. Mindestens 13 Kilometer zu Fuß und ziemlich platt.